Sucht im Alter
Expertinnen und Experten diskutieren Ursachen, Folgen und Lösungsansätze in Paderborn
Am 21. Mai 2025 fand in Paderborn ein bedeutendes Treffen der Funktionsträgerinnen und Funktionsträger der Senioren-Union der CDU Nordrhein-Westfalen statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand ein hochaktuelles Thema: Sucht im Alter.
Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Peter Fröhlingsdorf, Bezirksvorsitzender der Senioren-Union Ostwestfalen-Lippe, stellvertretender Landesvorsitzender der Senioren-Union NRW und Mitglied im Bundesvorstand der Senioren-Union der CDU Deutschlands. In seiner Eröffnung entschuldigte er den Landesvorsitzenden und kommissarischen Bundesvorsitzenden der Senioren-Union, der zeitgleich an der Landestagung in Hessen teilnahm.
Fröhlingsdorf stellte die hochkarätig besetzte Podiumsrunde vor:
Tilmann Magerkurth, Chefärztlicher Leiter der LWL-Klinik Paderborn
Dominik Neugebauer, Leiter der Suchtberatungsstelle der Caritas Paderborn
Birgit Clausen und Helmut Reinhard, Mitglieder der Selbsthilfegruppe „Kreuzbund“
In seiner thematischen Einführung definierte Fröhlingsdorf Sucht als Krankheit mit vielen Facetten – von Alkohol- und Drogenabhängigkeit über Tabak- und Medikamentenmissbrauch bis hin zu Spielsucht.
Tilmann Magerkurth betonte, dass es zwei Hauptgruppen von Suchtkranken gebe: Menschen, die bereits in jungen Jahren erkranken, sowie solche, die im späteren Leben durch Veränderungen im Lebensumfeld wie Ruhestand, Vereinsamung oder Verluste zu Suchtmitteln greifen. Gerade im Alter sei die Verträglichkeit von Alkohol stark reduziert – dabei bleibe er eine überall frei verfügbare Droge.
Ein besonderes Augenmerk legte Magerkurth auf die Gefahren von Benzodiazepinen – Beruhigungs- und Schlafmitteln, die bereits nach wenigen Wochen abhängig machen können und u. a. zu Gedächtnisstörungen und erhöhter Sturzgefahr führen.
Dominik Neugebauer erläuterte die Arbeit der Suchtberatung. Häufig werde angenommen, Suchthilfe richte sich ausschließlich an junge Menschen. Doch viele ältere Menschen gerieten durch Renteneintritt oder andere Schicksalsschläge in eine Abhängigkeit – nicht selten auch in Formen wie Kaufrausch oder Glücksspielsucht. Männer seien dabei deutlich häufiger betroffen als Frauen.
Besonders eindrucksvoll waren die Berichte von Birgit Clausen und Helmut Reinhard, die offen von ihrem Weg aus der Sucht und der Rolle der Selbsthilfegruppen berichteten. Der Kreuzbund, eine bundesweit tätige Selbsthilfeorganisation, sei für viele Betroffene die erste und wichtigste Anlaufstelle. Der Austausch in der Gruppe biete Halt, Struktur und neue soziale Kontakte.
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde deutlich: Die Rückkehr in den Alltag nach einer stationären Entgiftung ist für Ältere besonders herausfordernd. Ambulante Angebote wie Tageskliniken seien hier zukunftsweisend. Außerdem mangele es an politischer Unterstützung – Suchtkranke hätten keine starke Lobby.
Ein viel diskutierter Punkt war die Forderung nach Einführung eines „Suchtpfennigs“ – einer zweckgebundenen Abgabe auf alkoholische Getränke, deren Erlös in die Suchthilfe fließen soll. Ein Vorschlag, der bereits seit Jahrzehnten diskutiert wird, bislang jedoch am Widerstand der Alkoholindustrie scheitert.
Weitere zentrale Forderungen:
Der Übergang von der ärztlichen Versorgung zur Suchtberatung muss besser verzahnt werden.
Im Medizinstudium sollte das Thema Sucht stärker verankert werden.
Es braucht mehr sozialraumorientierte Angebote gegen Einsamkeit, etwa Gruppenreisen, Freizeitangebote oder digitale Plattformen wie die App „Meet5“, die Menschen unkompliziert zusammenbringt.
Auch das Thema Cannabis wurde thematisiert. Die Expertinnen und Experten warnten vor einer Verharmlosung. Die medizinische Anwendung sei nur bei wenigen Indikationen sinnvoll und wissenschaftlich belegt – etwa bei neurologischen Erkrankungen, Schmerzen, Muskelkrankheiten, Appetitlosigkeit oder in der Krebstherapie.
Die Veranstaltung der Senioren-Union NRW zeigte eindrücklich: Sucht im Alter ist ein drängendes, oft unterschätztes Problem. Es braucht mehr Aufklärung, niedrigschwellige Hilfeangebote und politische Unterstützung. Nur so kann älteren Menschen geholfen werden, aus der Abhängigkeit zu finden und ihre Lebensqualität zurückzugewinnen.